Eigenkapital – ein Must have oder doch überschätzt?

 In Baufinanzierung

Immer noch sind die Zinsen für Baufinanzierungen extrem günstig – wann sollte sich der Haus- oder Wohnungskauf also mehr lohnen als: genau jetzt!? An sich ein naheliegender Gedanke. Wäre da nicht … das erforderliche Eigenkapital. Reicht es, „nur“ die Kaufnebenkosten aufzubringen oder sind 20 Prozent des Kaufpreises nötig?

Ist eine Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital sinnvoll?

Eins vorweg: Je mehr Eigenkapital eingebracht wird, umso besser. Aber: 20 Prozent sind bei den derzeitigen Kaufpreisen nur schwer zu leisten, zumal ja auch die Nebenkosten dazukommen. Die sollten mit eigenem Geld gezahlt werden und können zehn bis 15 Prozent betragen. Wenn die Auserwählte (Immobilie) 300.000 Euro kostet, müssen nebenher also erst einmal 30.000 bis 45.000 Euro für Makler, Grunderwerbssteuer und Notar- und Grundbuchgebühren locker gemacht werden. Oft sind allein schon dafür alle Sparbücher geplündert und solvente Verwandte nach privaten Krediten gefragt. In diesem Fall müsste die Bank dann den gesamten Kaufpreis finanzieren, als sogenannte 100%-Finanzierung. Ist das sinnvoll? Oder zu riskant?

Rechnen kostet nichts: Welche Möglichkeiten gibt es für eine Eigenheimfinanzierung ohne Eigenkapital?

Im Netz finden sich ganz unterschiedliche Einschätzungen hierzu, von „bloß nicht machen!“ bis zu „ach, das ist doch überhaupt kein Problem“. Die eine richtige Antwort gibt es hier nicht, jeder Fall ist anders.

 

Immobilienkredit ohne Eigenkapital:

Gerade junge Leute konnten noch nicht wirklich viel sparen, wollen aber die jetzt niedrigen Zinsen nutzen.  Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sind die Interessenten manchmal überrascht, was dann doch möglich ist

Erstes Fallbeispiel: Gute Rahmenbedingungen für einen Immobilienkredit ohne Eigenkapital?

Ganz klar: Ein gutes Einkommen und stabile finanzielle Perspektiven sind ein Muss. Dann kann es zum Beispiel so aussehen wie bei einem jungen Paar, das sich vor einiger Zeit beraten ließ. Beide sind Ende 20 und vor ein paar Wochen haben sie sich den Wunsch nach dem Eigenheim erfüllt: ein neues Reihenhaus, 130 qm für 350.000 Euro. Die 36.000 Euro an Eigenkapital waren da nicht wirklich üppig. Also hat das Paar hat nur die Kaufnebenkosten selbst bezahlt und den gesamten Kaufpreis finanziert. Ihr Vorteil: Er verdient als IT-Berater ziemlich gut und seine Arbeit wird auch in Zukunft gefragt sein. Auch ihr Lohn ist über dem Durchschnitt, sodass sie zusammen auf rund 5.500 Euro netto im Monat kommen – Gehaltssteigerungen sind in Aussicht.

Gemeinsam haben wir viel gerechnet und verschiedene Baufinanzierungs-Varianten miteinander verglichen. Herausgekommen ist eine Lösung, bei der sie 1.600 Euro monatlich an Rate zahlen – ein Betrag, den sie dank der guten Bonität leisten können. Parallel zum klassischen Annuitätendarlehen entschlossen sie sich, einen Kredit von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über 50.000 Euro aufzunehmen, um so auf die restlichen 300.000 Euro einen günstigen Zins zu bekommen. Ihre Tilgung ist mit anfänglich 4 Prozent so hoch, dass sie das Haus nach 21 Jahren abbezahlt haben.

Zweites Falleispiel: Wann man die Finger von einem Kredit ohne Eigenkapital lassen sollte

Aber so glatt läuft es nicht immer. Denn selbst wenn sich eine Bank findet, die die Finanzierung übernehmen würde, kann das Risiko im Einzelfall doch zu hoch sein. Ein guter Anhaltspunkt ist der immer gültige Tipp, dass die Rate nicht höher sein sollte als 30 – maximal 33 – Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Das gilt erst einmal auch dann, wenn Mieten aus einer anderen Immobilie dazukommen.

In einem anderen Fall haben wir gerade von einer 100-Prozent-Finanzierung abgeraten. Dieses Paar hatte noch eine Restschuld auf die erste Immobilie und sich in ein Haus in bester Lage verguckt. Kaufpreis: rund 900.000 Euro. Die Rechnungen ergaben, dass sich die Raten – inklusive des laufenden Darlehens – auf 2.700 bis 3.000 Euro summiert hätten. Dem gegenüber stand ein Haushaltsnettoeinkommen von rund 5.000 Euro. Zu wenig für die Raten, auch wenn die Mieteinkünfte hinzugerechnet werden. Denn die Rechnungen fielen sehr knapp aus, ein Puffer war nicht drin und ein Mietausfall hätte auch nicht passieren dürfen. Weil ein ruhiger Schlaf den Interessenten doch wichtiger war als das Haus, folgten sie schließlich der Empfehlung und hielten nach einer etwas günstigeren Immobilie Ausschau.

Kleiner Exkurs: Wieso ist der Zins bei einem Immobilienkredit ohne Eigenkapital höher?

Wer kein Eigenkapital mitbringt, zahlt einen höheren Sollzins. Grund dafür ist das größere Risiko für die Bank, im Fall einer Zwangsverwertung (Immobiliendeutsch für Zwangsversteigerung) nicht mehr den gesamten Betrag zurückzubekommen. Und das preist sie mit ein. Für die Haus- oder Wohnungskäufer bedeutet das konkret: Sie müssen mit höheren Raten rechnen und können eventuell nicht so hoch tilgen. Somit tragen sie nicht nur die finanzielle Belastung über eine längere Zeit, sondern sie haben auch schlechtere Karten bei der Anschlussfinanzierung, weil noch mehr Restschuld verbleibt. Hierfür muss dann ein größerer Betrag – mit höheren Zinsen – aufgenommen werden. Befinden sich dann noch die Zinsen generell auf einem höheren Niveau, ist die Gefahr größer, ins Straucheln zu geraten (vorsichtiges Deutsch für: echte finanzielle Schwierigkeiten zu bekommen).

Was ist bei einer Finanzierung ohne Eigenkapital zu beachten?

Wie gesagt: Generell spricht erst einmal nichts dagegen, sich Rate, Zins und Tilgung für ein Darlehen mit wenig Eigenkapital ausrechnen zu lassen. Dann aber kommt es auf die ausführliche, individuelle und am besten auch kritische Beratung an. Denn wer die Baufinanzierung auf Kante näht und ständig Angst haben muss, dass etwas Unvorhergesehenes passiert, wird nicht froh damit. Im schlimmeren Fall verliert er noch dazu viel Geld. Deswegen ist dies auch gleich der erste von unseren fünf wichtigsten Tipps:

Tipp 1: Seriöse, persönliche Beratung

… am besten von jemandem, der das Vorhaben und die Rahmenbedingungen genau und ausführlich prüft. Der sich Zeit nimmt und seine Einschätzung zu der individuellen Finanzierung ehrlich kommuniziert. Auch auf die Gefahr hin, dass sie anders ausfällt als erhofft.

Tipp 2: Finanzielle Puffer einplanen

Von Ausgaben für nette Dinge wie zum Beispiel einen Urlaub reden wir hier erst gar nicht – obwohl sie für viele zum lebenswerten Leben dazugehören. Wer sich nur gerade so eben die Raten leisten kann, stolpert spätestens bei der nächsten größeren Reparatur über den Fehler in der Planung.

Tipp 3: Lange Zinsbindung und hohe Tilgung

Eine lange Zinsbindung bedeutet Planungssicherheit, aber auch höhere Zinsen. Derzeit ist der Aufschlag für eine Zinsbindung von 10 bis 15 Jahren relativ hoch, bei 15-20 Jahren Sollzinsbindung fällt er nicht mehr so deutlich aus. Oft lohnt es sich deswegen, die Zinsen für 20 Jahre festzuschreiben und – wenn möglich – die Tilgung zu erhöhen. Vorausgesetzt, die Monatsrate wird nicht zu hoch.

Tipp 4: Auf einen angemessenen Preis achten

Bei einem Kredit für eine Immobilie ohne Eigenkapital achten Banken noch genauer auf deren Marktwert. Das heißt, dass sie auch nur den finanzieren – unabhängig davon, welchen Wert der Verkäufer dem Haus oder der Wohnung beimisst. Beim Ermitteln der bestmöglichen Baufinanzierung arbeitet Tarkan (wie alle Berater bei Dr. Klein) – mit einer Software zur Immobilienbewertung. So kann er die Interessenten schon frühzeitig auf Differenzen zum Marktwert hinweisen.

Tipp 5: Kombination verschiedener Kredite

Viele möchten nur einen Vertrag für den gesamten Kredit – also nur ein Annuitätendarlehen ohne zusätzliche Bauspar-, KfW- oder andere Lösungen. Wenn der Gesamtpreis der Immobilie finanziert wird, ist es aber wichtig, schnell von der anfangs sehr hohen Summe herunterzukommen. Deswegen lohnt es sich, verschiedene Konstellationen zu erwägen, die zu einer zügigen Tilgung beitragen und mit denen sich der Zinssatz verringern lässt.


 

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